Dr. Hanno Loewy, geboren 1961 in Frankfurt am Main, ist seit 2004 Direktor des Jüdischen Museums Hohenems in Vorarlberg. Er ist Literatur- und Filmwissenschaftler, Ausstellungsmacher und Publizist und promovierte 1999 an der Universität Konstanz über Filmtheorie, Märchen und Ritual. Lehraufträge und Gastprofessuren in Konstanz, Essen und an der Rutgers University. Von 1995 bis 2000 war er Gründungsdirektor des Fritz Bauer Instituts für Holocauststudien in Frankfurt am Main. 2011 bis 2017 amtierte er als Präsident der Association of European Jewish Museums.
Seine Ausstellungen und Publikationen beschäftigten sich mit jüdischer Gegenwart und Geschichte, Filmtheorie und Filmgeschichte, dem Holocaust und der Geschichte von Israel und Palästina. Zu seinen Veröffentlichungen zählen u.a.: Walter Zadek: Kein Utopia. Araber, Juden und Engländer in Palästina (Berlin 1986), Holocaust. Grenzen des Verstehens. (als Hg., Reinbek 1992), „Hast Du meine Alpen gesehen?“ Eine jüdische Beziehungsgeschichte (Hg. mit Gerhard Milchram, Hohenems 2009), Jukebox. Jewkbox! Ein jüdisches Jahrhundert auf Schellack & Vinyl (Hohenems 2014), Die letzten Europäer. Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee (Hg. gemeinsam mit Felicitas Heimann-Jelinek und Michaela Feurstein-Prasser, Hamburg 2022), Über die Grenze. 52 Fluchtgeschichten zwischen Bodensee und Gebirge 1938 bis 1945 (mit Raphael Einetter, Hohenems 2023). (Foto: Jon Holloway)
Dr. Hanno Loewy, born in Frankfurt am Main in 1961, has been director of the Jewish Museum Hohenems in Vorarlberg since 2004. He is a literary and film scholar, exhibition curator and author and completed his doctorate in 1999 at the University of Constance on film theory, fairy tales and ritual. He has held lectureships and guest professorships in Constance, Essen and at Rutgers University. From 1995 to 2000, he was the founding director of the Fritz Bauer Institute for Holocaust Studies in Frankfurt am Main. From 2011 to 2017, he served as President of the Association of European Jewish Museums. His exhibitions and publications have focused on the Jewish present and history, film theory and film history, the Holocaust and the history of Israel and Palestine.
His publications include: Walter Zadek: Kein Utopia. Araber, Juden und Engländer in Palästina (Berlin 1986), Holocaust. Grenzen des Verstehens (Ed., Reinbek 1992), „Hast Du meine Alpen gesehen?“ Eine jüdische Beziehungsgeschichte (Ed. with Gerhard Milchram, Hohenems 2009), Jukebox. Jewkbox! Ein jüdisches Jahrhundert auf Schellack & Vinyl (Hohenems 2014), Die letzten Europäer. Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee (Ed. with Felicitas Heimann-Jelinek and Michaela Feurstein-Prasser, Hamburg 2022), Über die Grenze. 52 Fluchtgeschichten zwischen Bodensee und Gebirge 1938 bis 1945 (with Raphael Einetter, Hohenems 2023). (Foto: Jon Holloway)
Session: Utopien gesucht: How to become a „Brave-Place-Museum“?
Input: Museen als Schule der Mehrdeutigkeit
Können Museen der um sich greifenden Flucht in identitäre Partikularismen noch etwas entgegensetzen?
Häufig genug wurden Museen als Identitätsschmieden gegründet. Doch ist ihnen auch eine gegenläufige Tendenz eingeschrieben. Sie sind soziale Räume, in der Menschen die Welt und ihre Objekte von verschiedenen Seiten betrachten können. Und das durchaus, ohne deswegen in kulturalistischen Essentialismus zu verfallen. Einem Relativismus, wie er heute von rechtspopulistischer Seite, genauso wie von „linkem“ Postkolonialismus aus, und eben auch aus der sogenannten „liberalen“ Mitte der Gesellschaft betrieben wird.
Ob diese Möglichkeit pluraler Perspektiven auf unsere Realität von Museen produktiv genutzt wird oder nicht, liegt nicht zuletzt an uns selbst und unserer Courage. Und erst Recht die Frage, ob daraus eine politische Haltung resultieren kann. Eine Haltung, die solchen Perspektivenpluralismus und damit die Anerkennung von Verschiedenheit vor einem universalistischen Horizont gesellschaftlich stärkt.
Museen können soziale Räume sein, die das Menschenrecht auf gleiche Würde und die Neugier auf Verschiedenheit ebenso verteidigen, wie das Recht auf Teilhabe, auch da, wo Ressourcen ungerecht verteilt sind. Jüdische Museen galten lange als exemplarische Orte einer solchen Haltung. Orte an denen es um eine Minderheitenperspektive ging, die Zugehörigkeit und Fremdheit, das Eigene und das Andere zugleich bedeutete.
Ob davon unter dem Druck der gegenwärtigen Verhältnisse noch viel übrig ist, wird zu einer schmerzlichen Frage. Manchmal kommen wir uns in Hohenems vor wie in jenem gallischen Dorf, dessen jüdischer Erfinder René Goscinny zwischen seiner polnisch-französischen Herkunft und Buenos Aires, New York, Brüssel und wieder Paris eine lange Wanderung zurücklegte…